24. Heiligabend – heil genug

Der Tag ist anders, aber nicht perfekt.

Emma kommt später als geplant, leicht außer Atem, die Wangen rot von der Kälte und den Gefühlen. „Sorry“, sagt sie, „der Zug hatte Verspätung.“
„Du bist da“, sagt Jonas nur, und umarmt sie. „Das ist das Wichtigste.“

Ein Auflauf gelingt nicht, wird im Ofen zu dunkel. „Dann gibt’s mehr Kartoffeln“, sagt Ben. „Schwarze Kruste ist eh nicht gesund.“
Ein Geschenk ist falsch eingepackt. „Ups“, lacht Lea, „Überraschung im Doppelpack.“

Niemand schreit. Es gibt Momente, in denen jemand genervt ist, in denen es kurz still wird, weil ein Satz wehtut. Aber immer wieder fassen Hände an rote Bändchen, atmen tief ein und aus.

Später sitzen sie auf dem Sofa. Der Baum leuchtet, die Kerzen brennen. Jonas legt das lange Stück des roten Bands, das noch übrig ist, wie einen Kreis um ihre Füße.
„Dieses Band war dieses Jahr unser Advent“, sagt Lea. „Es hat uns nicht vor Streit bewahrt. Aber es hat uns geholfen, wieder zueinander zu finden.“


„Ein letzter Adventsatem“, schlägt sie vor. „Einatmen – wir spüren uns selbst. Ausatmen – wir spüren die anderen neben uns.“

Im Bild: Die Familie in einer nicht perfekten, aber warmen Kuschel-Verknotung auf dem Sofa, ein bisschen schief, ein bisschen eng. Das rote Band liegt um ihre Füße, über Kreuz, durcheinander – und verbindet sie trotzdem.

„Die Welt war nicht heil.
Aber für diesen Moment fühlte sie sich heil genug an.
Und das Adventsband erinnerte sie daran,
dass Frieden nicht vom perfekten Weihnachten kommt,
sondern davon, wie sie miteinander umgingen –
einen Atemzug nach dem anderen.“